Als wir vor ca. 30 Jahren begannen uns mit Ikonen zu befassen, gab es im Westen nur sehr wenig Information über die Bilder der Ostkirche. Der Osten blieb zu dieser Zeit weitgehend verschlossen.
Viele Fragen stellten sich und die Antworten waren unbefriedigend. Deshalb beschlossen wir, uns ernsthaft in das Gebiet einzuarbeiten. Wir durchstöberten alle erreichbaren Bibliotheken und sahen uns überall, wo möglich, Ikonen an.
Unser Wissen vergrößerte sich, aber je mehr wir wußten, um so mehr neue Fragen ergaben sich.
Schon bald fingen wir an, die Ikonen zu fotografieren und dann zu vergleichen. Sehr oft stellten wir fest, daß die Alters- und Herkunftsangaben sehr ungenau oder sogar widersprüchlich waren.
Dies kommt daher, daß Ikonen sehr selten, unter 1 %, datiert oder gar signiert sind und dadurch oft zu alt eingeschätzt werden.
Diesen unbefriedigenden Zustand hofften wir dadurch ändern zu können, daß wir alle erreichbaren Unterlagen über datierte und signierte Ikonen sammelten und ein Archiv anlegten.
Da wir zu dieser Zeit in Berlin wohnten, konnten wir auch die Möglichkeiten der Freien Universität, des Osteuropainstituts, mit einbeziehen.

Mit dem Restaurieren war es ähnlich. Hier im Westen gab es zwar viele, die Ölbilder restaurierten, aber mit Temperamalerei hatten außerhalb der Museen wenig Leute Erfahrung. Dazu kam noch, daß die Museumsrestauratoren ihr Wissen über Temperamalerei meist vom Restaurieren mittelalterlicher Tafelbilder hatten, jüngere Bilder hingegen waren fast ausschließlich in Öl gemalt.

Auf einem Symposium, das 1988 vom Ikonenmuseum in Recklinghausen veranstaltet wurde, lernten wir russische Wissenschaftler kennen und konnten mit ihnen Erkenntnisse austauschen. Auch wurden wir von Ihnen nach Rußland eingeladen.
Dadurch konnten wir nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" 1990 die erste Reise nach Rußland
mit dem eigenen Auto antreten.
Die Ikonenabteilungen der Museen waren jedoch anfangs als Folge der Sowjetära meist noch klein und gezeigt wurden fast ausschließlich sehr frühe Ikonen bis ins 17. Jahrhundert.
Durch die Kontakte zu verschiedenen Ikonenspezialisten war es möglich, auch die bedeutendsten  Restaurierungswerkstätten in Moskau und St. Petersburg zu besuchen und von der langjährigen Erfahrung der Ikonenrestauratoren zu lernen. Auch war es möglich, die Ikonen in den Depots zu sehen und teilweise zu fotografieren, die nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind. Sehr schnell mußten wir feststellen, daß in Rußland fast ausschließlich die frühen Ikonen bis ins 17. Jahr- hundert erforscht waren, die spätere Malerei, Ende 17. bis Anfang 20. Jahrhundert, jedoch ein Schattendasein führte.
In Deutschland ist jedoch der weitaus größte Teil der Ikonen aus dem 18. und
19. Jahrhundert.
Wir versuchten im Laufe der Jahre in Rußland so viel Ikonen wie möglich zu sehen, von denen man wußte, wo sie herkamen und wann sie gemalt wurden. Manchmal durfte sogar fotografiert werden, sonst mußten notgedrungen Notizen reichen.

Unsere ewige Fragerei nach der Malerei des 18. und 19. Jahrhunderts verstärkte das Interesse der russischen Wissenschaftler. So waren wir wohl Mitinitiator des Symposiums, das 1995 an der Humanistischen Universität in Moskau zum Thema “Späte Ikonenmalerei” abgehaltenen wurde. Bei ihm waren wir auch mit einem Vortrag vertreten.
Es folgten weitere Einladungen zu Tagungen in Rußland.
Bei unseren Besuchen bei russischen Wissenschaftlern kam es nun auch immer häufiger vor, daß wir nach unserer Meinung zu den Problemen später Ikonen gefragt wurden. Es entstand so ein reger Gedankenaustausch, der für alle Seiten interessant und fruchtbar war.
Auch bei Tagungen der Museumsrestauratoren, z. B. in Uusi Valamo (Finnland) und Athen trugen wir Erfahrungen und Forschungsergebnisse vor.
Auf all diesen Reisen wuchsen die Erkenntnisse und das zu archivierende Material. Unsere Arbeit begann den privaten Rahmen zu sprengen. 1993 gründeten wir deshalb eine Forschungsstelle mit Begutachtung und Restaurierung von Ikonen.

Durch ständige Ergänzungen besitzen wir derzeit das weltweit größte Archiv über datierte russische Ikonen,  insbesondere über russische Ikonenmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts.
Das Archiv wurde im Laufe der Zeit auf andere Gebiete im Zusammenhang mit russischen Ikonen, z. B. Malerwerkstätten, Maler, Restaurierung, Fälschungen, Verfälschungen usw. ausgebaut.
Seit dem Jahr 2000 arbeiten wir mit einem großen Archiv in Tallinn /Estland zusammen, das sich mit den russischen Ikonenmalern befaßt.
Des Weiteren sind Versuche im Gang, mit den Universitäten Bonn und Hohenheim, über Untersuchungen des Holzes, exaktere Grundlagen für die Herkunft und Altersbestimmung von Ikonen zu schaffen.
Chemische Pigmentuntersuchungen, die an einem Institut in Dortmund durchgeführt wurden, brachten ebenfalls weiterführende Erkenntnisse. Zum Beispiel können Farbpigmente analysiert werden, von denen feststeht, wann sie erfunden beziehungsweise ab wann sie in der Ikonenmalerei eingesetzt wurden. Dadurch kann ein Datum festgelegt werden, vor dem Ikonen bei denen diese Farbpigmente benutzt wurden, nicht gemalt worden sein können.
Auch die eingehende Untersuchung des Schriftbildes und etwaige Einflüsse von Dialekten bei den Aufschriften brachten Hinweise auf die Zeit oder die Gegend der Entstehung der Malerei.
Weitere wichtige Informationen geben auch Angaben auf den Rückseiten der Ikonen. Hier findet man oft Besitzernamen und Ortsangaben, die allerdings nur sehr schwer zugeordnet werden können. Die alten Ortsnamen finden sich, wenn überhautp, nur auf entsprechend alten Karten.
Da sich die Maße im Laufe der Jahrhunderte ebenfalls verändert haben, ist auch die Größe des Brettes oft ein Hinweis auf die Entstehungszeit.
Nicht nur die Arbeit an und mit den Ikonen bringt neue Erkenntnisse, auch beim Bearbeiten alter Reiseliteratur und anderer Beschreibungen aus den letzten Jahrhunderten kommen immer wieder weitere Details ans Licht.
So ergeben sich im Laufe der Forschungsarbeit immer neue Kriterien deren Auswertung dann wie Steinchen zu einem Mosaik zusammengefügt werden.

Ein Ziel von uns ist die Veröffentlichung der Auswertung des Archivs in einem Buch über datierte Ikonen des 18. und 19. Jahrhunderts. Es soll als Hilfe beim Datieren und Zuschreiben der 99 Prozent Ikonen, die nicht datiert sind, verwendet werden.
können.

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